„Das dürfen Sie nicht.“
„Warum nicht?“
„Sklaven werden verkauft.“
Eine Konversation als Überschrift hatte ich noch nie. Und zugegeben lief es auch etwas anders ab.
Ich bin dann mal weg
Viele von euch haben es sich schon denken können. Wenn man sich wie ich so oft und lang und breit und theatralisch darüber aufregt, wie furchtbar die Arbeitsbedingungen sind, sollte der nächste Blog-Eintrag vielleicht nicht davon handeln wie man den Chef ums Eck bringt und ihn dann auch noch spurlos verschwinden lässt. Nein, er sollte davon handeln, wie man einen neuen Weg einschlägt. Und das am besten mit einer Kündigung.
Auch wenn ich im Kopf schon lange gekündigt hatte, fehlte immer noch die schriftliche Form. Die ruhte vorbereitet auf dem Laptop. Aber ich gehöre zu den Menschen, die Risiken, gerade berufliche, nur ungern eingehen. Arbeitslosigkeit ist keine Alternative für mich.
Und so fuhr ich meine Fühler und Stielaugen aus und ergatterte eine neue Stelle, in einem Umfeld, dessen Bedingungen mir bekannten und gewohnten sind. Die Hospitation erschien mir wie ein ’nach Hause‘ kommen.
Richtig freuen konnte ich mich nicht. Zu groß ist die Unsicherheit gegenüber dem, was auf mich zukommt, das mich von allem entfernt, was mir bisher Sicherheit und Selbstbewusstsein gab.
Das Neue birgt aber nicht nur Gefahren. Indem ich mich darauf einlasse, erhoffe ich mir neben Wissenserweiterung aber auch, dass ich auf dem Heimweg ein Gefühl von Zufriedenheit empfinde und keine Frustration. Das ich besser Schlafe und nicht mit Bauchschmerzen aufwache bei dem Gedanken an die Arbeit.
Das letzte halbe Jahr war auf jeden Fall keine Vergeudung. Tolle Menschen begleiteten mich in den letzten Monaten und wurden nicht müde mich zu unterstützen und mir praktische Medizin beizubringen. Menschen, die ich so nie kennengelernt hätte. Mit denen ich so viel gelacht habe und ohne die der täglich Arbeitsalltag ein sehr viel schwerer gewesen wäre. Allen voran der ärztliche Chef der Notaufnahme.
Eine kurze Hommage an Klaas*
Mit dem Herzen auf der Zunge, seinem Verstand im Anschlag und einem ansteckenderen Lachen als SARS-CoV-2 (Omikron-Variante), leitet er die Notaufnahme. Seine Ohren sind jederzeit offen für Sorgen und Nöte der Menschen, die in der Notaufnahme arbeiten und aufschlagen. Selbst wenn diese ausfallend werden, behält er die nötige Ruhe und Respekt, um weitere Eskalationen vorzubeugen.
Fallbesprechung und Diskussionen gehören ebenso zu seinem Repertoire wie Lob und Schulterklopfen. Seine schon am Morgen gute Laune ist nicht von dieser Welt und seine Frage, wie es einem geht ist ehrlich gemeint und keine abgedroschene Plattitüde.
Trotz Nervosität, die bei mir oft vorherrscht, lässt er Agieren und Nachdenken und steht wie ein Schatten in der zweiten Reihe, bereit zu Navigieren oder Einschreiten.
In schwierigen Situationen kann man sich auf ihn als Fels in der Brandung verlassen. Mit wenigen Telefonanrufen, okay das ist gelogen, manchmal glühen ihm die Ohren, und mit einem kaum überschaubaren Bekanntenkreis, organisiert und managt er – natürlich gehört dies zu seinen Aufgaben. Aber zu wissen, dass er im Hintergrund ist und ein waches Auge auf alles hat, gab mir beim Arbeiten eine Sicherheit, die ich so nur selten erlebte.
Genau das verleiht einem oft anstrengenden Arbeitsalltag Leichtigkeit und auch die Tatsache, dass er sich selbst nicht auf ein Treppchen stellt. Er steht auf der Hierarchieleiter weit über uns allen, hat aber die Scheiße, die immer von oben nach unten fällt, mit einem Regenschirm wohlwollend von uns fer gehalten. Seine Kritik hingegen ist sachlich und nicht von seinen Gefühlen geleitet.
Zusammenarbeit und sein kollegiales Verhalten haben weder zu Respektlosigkeit noch zu Gesichtsverlust geführt. Sondern zu mehr Wertschätzung.
Ich hoffe, dass er weiß, dass ich ihm viel zu verdanken habe.
An den Nagel gehängt
Ich hänge die Innere Medizin vorerst an den Nagel, nebst der Allgemeinmedizin. Handwerklich bin ich nicht ganz unbegabt. Die Nägel die ich aussuche, sind stabil und von mir eigenhändig in die Wand getrieben, langlebig. Dort bleibt die Innere erstmal hängen, wird von Zeit zu Zeit abgestaubt und irgendwann vielleicht, wenn die Bedingungen besser geworden sind, nehme ich sie vom Nagel und schaue, ob es noch passt.
Denn es ist ein schöner Fachbereich. Und mein Ziel ist es immer noch, später irgendwann mal eine Praxis aufzumachen. Der Bereich in den ich wechsle, ist dafür weniger gemacht. Dafür ist er intensiv, schmerzraubend und ‚einschläfernd‘.
. . . nochmal zur Kündigung
Nun aber nochmal zum Kündigungsprozess. Ich bin rein, hab mir eine Bestätigungsunterschrift zum Erhalt der Kündigung vom Vorzimmerlöwen des Chefs abgeholt und bin wieder raus. Unkompliziert und unspektakulär. Das Gesicht des Vorzimmerlöwen: unbezahlbar. Die ganze Zeit dabei: ein fettes Grinsen hinter meiner FFP2-Maske, das ich den ganzen Tag nicht abschalten konnte.
Vielleicht aufgrund des Wissens, dass Klaas zwei Tage später seine einreichen wird. Seine Person stellt einen weitaus größerer Verlust für das Krankenhaus dar als meine.
Ein unangenehmes Ziepen hab ich wohlmöglich ausgelöst. Auch wenn ich für die Geschäftsführung nur den Wegfall einer Arbeitskraft bedeute, war ich für den ein oder anderen vielleicht doch mehr: Kollegin, Kaffeeversorgerin, Kuchenbäckerin, Freundin.
Bleibt gesund, eure Mandy
* Name von der Redaktion geändert
Anästhesie ist super! Bin gelernte Krankenschwester uns hab dann noch spät Medizin studiert! Mittlerweile bin ich Fachärztin und liebe die Anästhesie. Es wird Dir gefallen! Und es ist gut mit Familie zu vereinbaren!
Hab einen guten Start!
Liebe Grüße und willkommen in der Anästhesie!
Friederike
Liebe Mandy, ich lese Dich immer und gern ’nebenan‘, bei ww.
Auch ich habe gerade meinen Job gekündigt, wechsel die Branche und bin nervös, gespannt und aufgeregt, was mich alles erwarten wird und ob ich im Umkehrschluss diese Erwartungen auch erfüllen kann…
* Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Ich weiß nur, dass es anders werden muss, wenn es besser werden soll…*
Wir machen das schon, alles Liebe, nur Mut, auch an mich 😉
Christiane
Liebe Mandy,
du bist den wichtigsten Schritt gegangen: du hast gekündigt.
Nun wünsche ich dir Mut und Zuversicht für deinen neuen Weg.
Du gehst DEINEN Weg 😀💪🍀👏
Liebe Mandy, Glückwunsch!
Auch ich habe zum Ende des Jahres meinen Job, den ich fast 20 Jahre gemacht habe an den Nagel gehängt und mache jetzt seit Januar etwas anderes und bin glücklich mit dem was ich tue. Nur Mut, Du packst das!!!
Viel Erfolg und lieben Gruß
Liebe Mandy,
Ich gratuliere dir zu deinem Schritt, der ein gewisses Maß an Mut erfordert und bestimmt mit mehr Zufriedenheit und weniger Bauchschmerzen belohnt wird. Ich drücke dir die Daumen. Eine Freundin, die Krankenschwester ist, sagte mal, dass die Anästhesisten meist sehr nette und empathische Menschen sind…..wahrscheinlich wirst du ganz besonders gut in diese Disziplin passen.
Lass es dir in deinem neuen Job richtig gut gehen, herzliche Grüße und viel Glück Elke
Na Gott sei Dank! Der Schritt war wirklich nötig. Ich hoffe, Du findest noch Deinen Platz. Ich finde ja, du Du solltest in Richtung Wisensvermittlung gehen. Du hast noch eine große Begabung… Du erklärst und schreibst ganz toll. Emphatisch, kurzweilig und ohne erhobenen Zeigefinger. Alles Gute!!!!!
Hallo Mandy,
Nun bist du schon seit ein paar Wochen im neuen Job. Wie gefällt es dir dort?
Liebe Grüße Danne2018