Wie wir alle ein bisschen das Meer retten können
Manchmal erwischen einen neue Erkenntnisse wie ein Vorschlaghammer. So passiert. Vor ein paar Tagen. Nach einem Fahrradunfall war ich mal wieder auf der heimischen Couch heimisch geworden. Der Lehrbücher müde geworden, hörte ich also auf eine Empfehlung und schaute mir eine Doku an. Und sie hat etwas verändert . . . in mir, mit meinem Gewissen . . .
Fragt mich jemand etwas über Fisch, gerate ich ins (Fisch-)schwärmen. Er schmeckt einfach toll und so wie ich es gelernt habe, sollte er mehrmals die Woche auf den Tisch, ob gebraten, eingelegt, in Sushi-Form (würde ich ja für sterben). Wegen dem gesunden Omega-3-Fettsäuren, (je nach Sorte) geringem Fettanteil und dem wenigen Kalorien.Fragt mich dieser Jenige dann, wie oft ich in einer Woche Fisch esse, tja, mit Ach und Krach zwei Mal. Ausbaufähig würde man sagen. Dabei ist Fisch so schnell gekauft und oft schon futterfertig verpackt. Ein Luxus.
Mein Ma kommt aus Stralsund, kein Jahr ohne dort Urlaub zu machen, aufgewachsen mit Filmen von Jacque Cousteau – in mir steckt ein großer Teil nordischer Fischkopp.
Ich kaufe nur Fisch mit MSC-Siegel, ASC-Siegel und Delfinfreundlichen-Siegel. Nachhaltig soll es sein. Beim Kauf habe ich ein gutes Gefühl und abends gibt`s nen geilen Thunfischsalat oder Fischeintopf.
Was ich fürs Meer tu? Hmm, ich achte wie oben beschrieben beim Kauf auf die Siegel. Ich versuche wenig Plastikmüll zu produzieren, was ins Meer geraten könnte . . . und da hört es auch schon auf. Wird schon reichen, gaukelte ich mir vor.
Bis zu diesem Abend . . .
. . . bis zu dieser Doku. Vielleicht haben ihn auch schon einige von euch gesehen? Seaspiracy! (Übrigens umsonst anzusehen bei dem Streamingdienst der mit N anfängt und dessen Ende sich auf ’nix‘ reimt)
Warum mache ich jetzt unbezahlte Werbung dafür? ‚Seaspiracy‘ ist mein Vorschlaghammer. Und er traf mich unvorbereitet und hart. Brisant gemacht. Mit Aktion, Aufklärung, verstörenden Bildern und furchtbaren Erkenntnissen. Vielleicht nicht ohne Fehler und Lücken – wer mit Zahlen, Vergleichen und Diagrammen arbeitet ist vor Fehlern nicht gefeit. Dazu aber später mehr.
Es geht um die Delfinjagt, dem Finnen von Haien (Haien werden die Flossen abgeschnitten), der Überfischung unserer Meere, dem Klimawandel, dem Beifang . . . keine Ahnung, wie oft ich arg schlucken musste. Ebenso wie die genaue Recherche um die (angeblichen) Schutz-Siegel.
Ja, ich weiß. Forscht man bei allen Dingen genauer nach, dürfte man vermutlich nichts mehr zu sich nehmen. Aber was ich da sah, erschütterte mein Weltbild. ICH bin ein großer Teil dieses Problems.
Und ICH predigte im Grunde auch noch selbst: Ja, esst Fisch, wegen Omega-3-Fettsäuren.
In den Tagen danach dachte ich viel nach.
Omega-3-Fettsäuren: So wichtig für uns
Omega-3 sind ungesättigte Fettsäuren. Sie haben Doppelbindungen, die unser Körper selbst nicht herstellen kann. Deshalb gehören sie zu den essentiellen Fettsäuren – die Aufnahme muss also übers Essen erfolgen (gute Eselsbrücke oder?).
Hauptvertreter der Omega-3-Fettsäuren sind (Achtung, klingt wissenschaftlich) die Alpha-Linolensäure (ALA), die Eicosapentaensäure (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA).
Die in pflanzlichen Fetten und Ölen vorkommende ALA stellt die Vorstufe von EPA und DHA dar.
Aus ALA kann der Körper durch Umwandlungsprozesse EPA machen.
Wenn im Körper ausreichend EPA gebildet werden konnte, dann kann aus dem überschüssigen EPA die Fettsäure DHA hergestellt werden. Die Produktion von EPA und DHA aus ALA ist sehr aufwendig für den Körper, weswegen wir EPA und DHA ebenso über die Nahrung aufnehmen sollten.
Unsere Nervenzellen haben einen Fettmantel, eine Isolierung, der zu 30% aus Omega-3 besteht (und 90% davon sind DHA). Also wichtig fürs Hirn. Und damit auch für die Schwangerschaft und die kindliche Hirnentwicklung – Omega-3 (DHA) ist in einigen Nahrungsergänzungsmedikamenten für Schwangere
enthalten. Ebenso wichtig ist es für die Herzfunktion und Sehkraft des Auges.
Sie verhindern Entzündungen im Körper, was sehr wichtig ist.
Omega-6 beispielsweise, ist auch gesund, fördert aber eher Entzündungen – sollte also weniger konsumiert werden.
Die Omega-3-Fettsäuren-QUELLEN
ALA kommt vor allem hier vor:
Leinöl: 56-71%
Chiaöl: bis 64%
Walnüssen: 13%
Rapsöl: 9%
EPA und DHA kommen hauptsächlich hier vor:
Algen – Hauptproduzent (keine verlässliche Angabe gefunden, aber hoch)
Atlantischer Lachs: 1,8%
Sardellen: 1,7%
Hering: 1,2%
Makrele: 1%
Thunfisch (keine verlässliche Angaben gefunden)
So ist die Realität
Es gibt ein Problem, denn in unserer Durchschnittsernährung ist zu viel Omega-6. Und wenn in der Nahrung zu viel Omega-6 im Verhältnis zu Omega-3 präsent ist, dann kann der Körper kein EPA bilden und somit auch kein DHA.
Fast alle Nüsse (außer vielleicht Walnüsse und Macadamia) haben zu viel Omega-6. Die handelsüblichen Öle wie Olivenöl und Sonnenblumenöl haben viel zu viel Omega-6. Und wenn diese Öle oder Nüsse dann auch noch erhitzt werden, oxidiert das letzte kleine bisschen Omega-3. Denn es ist hitzeempfindlich und sollte am besten kalt genossen werden. (z.B.: im Salat oder in Quark gerührt)
Nach der Auflistung oben ist also eigentlich ganz gut klar, wie wir unser ALA-Depot auffüllen können. Wie machen wir das also mit EPA und DHA, die man ja auch gelegentlich über die Nahrung aufnehmen sollte?
Ich hatte mal, um mir zusätzlich EPA und DHA einzuverleiben, Fischkapseln aus Fischöl gekauft.
Ekelhaft, mal vom fischigen Aufstoßen abgesehen.
Nun ist im Allgemeinen bekannt, dass unsere Fische aus dem Meer schwermetallbelastet sind. Auch Mikroplastik spielt wieder eine Rolle. Aus diesen Fischen wird Fischfett gewonnen und daraus Fischöl. Fakt ist, Fischöl ist kein ökologisch sinnvolles Produkt und dem Konsumenten droht die Gefahr, Giftstoffe aufzunehmen.
Dazu kommt, dass mehr als 60% der weltweiten Fischbestände laut FAO (Welternährungsorganisation) maximal befischt sind, 30% gelten sogar als überfischt. Nur rund zehn Prozent befinden sich in einem gesunden Zustand. 10%!
Inzwischen sind die Vorkommen so stark dezimiert und die Preise für Wildfisch so stark gestiegen, dass der Fischölanteil im Futter für Aquakulturen (ja, Fisch wird mit Fisch gefüttert) zu einem Großteil durch pflanzliche Öle ersetzt wurde. Und die liefern kein EPA und DHA. Dadurch hat sich der Omega-3-Gehalt im Lachs in den vergangenen zehn Jahren bereits halbiert. Der Lachs enthält also immer weniger von dem, was ihn für uns so gesund macht.
Also, weg mit den Fischkapseln.
Mind-blowing-Erkenntnis
Wer wirklich die gesundheitlichen Vorteile von EPA und DHA genießen möchte, sollte beim Ursprung der Nahrungskette ansetzen, denn der Fisch produziert diese Fettsäuren nicht selbst, sondern nimmt diese durch seine Nahrung auf (direkt Algen oder Krill, der sich wiederrum von Algen ernährt).
Die natürliche Quelle für Omega-3-Fettsäuren sind also ALGEN und nicht der Fisch. Warum essen wir hauptsächlich den Zwischenwirt für das Omega-3 und nicht direkt die Alge?
Was also tun?
Regelmäßig überdenke ich unsere Art und Weise zu Essen. Ob nun die von mir und meinem Mann, unserer Familie oder die der Welt. Kann Kopfschmerzen machen.
Wenn ich Fisch von meiner Speisekarte streiche, was mir sehr schwer fallen würde, wie komme ich dann an meine Omega-3-Fettsäuren?
Die Industrie und der Handel machen es einem sehr leicht, einfach nur zu zugreifen. Es ist bequem und zeitsparend. Und sie wollen Geld. Mein Geld. Und tun dafür anscheinend alles. Gibt es nachhaltige Fischerei? Ich glaube nicht mehr daran – es gibt kein nachhaltiges Töten.
Wie ist eine fischärmere / -freie Ernährung also möglich?
Okay, für ALA gibt es wirklich gute pflanzliche Produkte, die ich ohne Probleme in unseren Speiseplan integrieren konnte. Leinsamen gibt es täglich. Im Müsli; einfach über das fertig gebratene Gemüse geben; unter den Kartoffelbrei heben; mit Verbacken. Und zum Quellen viel trinken. Leinöl in Quark, über den Salat, 1 Teelöffeln unter den Kartoffelbrei.
Wie aber nun EPA und DHA? Algen stehen auf der Beliebtheitsskala des Deutschen nicht wirklich weit oben.
Ich bin auf Algenkapeln umgestiegen. Algen sind ein schnell wachsendes Rohstoff, im Vergleich zu Fisch. Eine Alternative mit der ich leben kann. Sie sollten nachhaltig erzeugt und vegan sein. Und auch die Fisch-Rülpser bleiben damit aus.
Fisch empfehle ich nicht mehr.
Empfehlung verbraucherzentrale:
– ‚Laut der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind Produkte mit einer vom Hersteller empfohlenen Aufnahmemenge von bis zu 5 g EPA und DHA (in Kombination) oder 1,8 g EPA (einzeln) pro Tag für Erwachsene gesundheitlich unbedenklich.‘
(- ‚Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Schwangeren und Stillenden, durchschnittlich mindestens 200 mg DHA pro Tag zuzuführen. Für andere Bevölkerungsgruppen gibt es nur die Empfehlung, 0,5 % der Energie-(Kalorien-)zufuhr pro Tag in Form von Alpha-Linolensäure aufzunehmen.‘ )
Vegane Ernährung die Lösung?
In dem Film wird gesagt (SPOILER-ALARM), dass die einzige Lösung eine vegane Ernähung ist. Und da ist auch schon einer meiner größten Kritikpunkte. Denn DAS wird nie passieren. Die Weltbevölkerung, mehrere Milliarden, werden sich nie Vegan ernähren. So lang Geldgier und Macht mit am Tisch sitzen, Großkonzerne nicht einlenken, Regierungen verheimlichen . . . ist darüber zu Diskutieren sinnlos.
Es gibt Menschen die leben am Meer. Warum sollten sie sich nicht von dem Fisch ernähren? Mit ihren kleinen Booten reißen sie nicht den Meeresboden kaputt. Sie angeln das, was sie zum Leben brauchen, für die eigene Versorgung und um Geld verdienen.
Aber jemand, der im Inland wohnt, wie ich und hört, das Lachs gesund ist (und punktefrei) oder mehrmals im Jahr dem Sushi frönt – wäre dies nicht ein Punkt, um da anzusetzen? Mir war klar, dass ich von heute auf morgen nichts ändern kann. Aber wie wäre es denn beispielsweise mit weniger Fisch?
Fisch ist wie Fleisch . . .
. . . Luxus. Und sollte teuer sein bzw. bleiben. Fisch sollte regional genossen werden. In Frankfurt gibt es regional gesehen nicht wirklich Fisch. Zumindest sehe ich selten Lachs durch den Main schwimmen.
Im Grunde gerate ich immer wieder in diesen Konflikt: Wenn etwas auf der anderen Seite der Welt produziert wird und ich am anderen Ende der Welt konsumiere, verliert sich irgendwo dazwischen die Kette der Verantwortung. Ob nun Fisch, Handy, Auto, Handtasche, Klamotten, Schuhe. Ich habe aber Verantwortung gegenüber dem Produkt und auch der Natur gegenüber.
Wir haben unseren Fischkonsum seit dem drastisch reduziert, verbrauchen noch das was wir im Haushalt haben und werden ihn nur noch genießen, wenn wir auch in einer Region sind, wo er direkt gefischt wird. Lachs haben wir komplett gestrichen. Auch Thunfisch ist passé. Ade Sushi. Tschüss Stremellachs.
Dorsch, Wittling, Hornhecht, Hering, Sprotte, Makrele, Butt und Meerforelle, die Fische der Ostsee werden im Urlaub auf unserer Speisekarte stehen. Bis dahin achte ich täglich auf Leinsamen, Leinöl, Rapsöl, Olivenöl und Walnüsse und sollte es doch mal eng werden, haben wir Kapseln aus Algenöl. Die Dank der hohen Konzentration an EPA und DHA ein attraktiver Lieferant für mich sind (und deshalb auch nicht wie angegeben jeden Tag genommen werden müssen).
Weniger Fisch, weniger Geisternetze
Geisternetze machen nach neuen Erkenntnissen 30-50% des Meeresplastiks aus. Und ich hab versucht weniger Plastik zu verbrauchen – es klingt so blauäugig. In dem ich meinen Fischkonsum drastisch reduziere, bleibt im Handel mehr Fisch im Regal stehen. Der Handel wird daraufhin weniger bestellen, die Nachfrage sinkt, es wird weniger gefischt, Fangquoten (die übrigens laut den Fischern zu niedrig seien) können besser eingehalten werden – so meine ‚kindliche‘ Hoffnung.
Und das paradiesische Bild vom Ozean mit seinen azurblauen, klaren Wassern, das ich in meinem Kopf habe, kriegt eine Chance.
Regionaler Einkaufen, regionaler Essen, regionaler Genießen.
Hier ein Link zu einem tollen Unternehmen, die sich mit dem Upcycling von Geisternetzen beschäftigt und daraus richtig tolle Sachen machen:
Und das ist die Bracenet Mission.
Ich kann die Doku empfehlen – man wird dadurch auf jeden Fall nicht dümmer.
Bleibt gesund . . . eure Mandy
Moin, Algenkapseln finde ich auch eine gute Alternative. Afa, Chlorella, diverse zum Kochen Algen auch. Zudem, muss es immer Seefisch sein?
Schon mal im Forellengut in Oberursel-Oberstedten frischen regionalen Fisch gekauft?
Fahr mal hin.. 😘
Nein, danke für den Tipp. Werd ich mir mal anschauen 😍
Oh mein Gott… Ich werde mir auf keinen Fall die Doku ansehen, denn ich vertraue dir und will es mir nicht antun, denn diese Art Berichte gehen mir zu sehr unter die Haut. Die Lösung sind für mich zukünftig Algenkapseln, Leinöl und lokaler Fisch, wenn ich (hoffentlich bald wieder) am Meer bin. Danke und nochmals Danke für deine Beiträge 👍👌👏
Huhu, bin über Ww auf deine Seite gestoßen. Genau das gleiche ist bei uns vor gut vier Wochen passiert. Habe abends heulend die Doku geschaut. Seit dem ist Schluss mit der Fischesserei, den wir wirklich alle richtig lieben.
Nun bin ich aber im Zwiespalt. Was tu ich mit meinen Kinder.
Sind nicht die in Leinsamen, nüssen enthaltenen Fettsäuren andere als die in den Algen? Also so hab ich das in der Doku verstanden. Du wirst es als Ärztin ja sicherlich wissen.
Den beiden Minis Leinsamen unterzujubeln bekomm ich hin aber ist es schlau den beiden diese Algenkapseln zu geben? Forelle von einem bekannten gabs nun auch schon. Frisch und geräuchert. Allerdings ist das ja kein Hochseefisch. Oder ist es egal welche Algen der Fisch isst? Entschuldige das ich dich so Löcher aber du machst mir den Eindruck als ob du sehr im Thema steckst.:)
Danke für den tollen Text . Fand es sehr interessant.