MandysNotizBlog

Ode an den Lars

Manchmal treten Menschen in unser Leben, bei denen man sofort merkt, dass man nicht die gleiche Stadt mit ihnen teilen möchte, geschweige denn den gleichen Planeten.
Genau so gibt es aber auch Menschen, denen man begegnet und schlagartig weiß: Dich mag ich.

Ist es zu spät, jemanden Danke zu sagen oder mitzuteilen: Echt geil, dass es dich gibt?
Ich denke nicht. Ob das Bekannte, Freunde oder Kollegen sind. Ob es mit Kuchen, Umarmungen oder mit Worten gemacht wird . . .
Deshalb diese ‚Ode an den Lars‘. (Name wurde von der einköpfigen Redaktion geändert.)

Wer ist Lars?

Ein Lars

Die Antwort auf mein: ‚All I want for christmas, ist a PJ-Student der blood abnehmen kann.
Meine rechte Hand. Mein Humor, wenn er mir mal abhanden gekommen ist.
Meine Ironie, mein Sarkasmus in den richtigen Momenten. Mein Teufel auf der linken Schulter.


Mein Lebensretter. Mein PJ-Buddy, der genau zum perfekten Zeitpunkt kam. Nämlich in der Vorweihnachtszeit in der Chirurgie.

Mein einsames Leben in der Chirurgie

Dazu muss ich erwähnen, das Leben als PJ-Student ist ein Besonderes. Man gehört nicht wirklich zum Arzt-Team, denn man ist ja noch kein Arzt. Man gehört aber auch nicht zur Pflege.
Bei wem heult man sich also aus, ohne dass es weitreichende Konsequenzen hat?

Zum Glück gibt es aber immer ein paar Leidensgenossen: andere PJ’ler.

Sie sind entweder auf der gleichen Station oder im Krankenhaus verstreut. Man trifft sich zum Mittag oder zwischendurch, ruft sich gegenseitig auf dem PJ-Telefon an, heult sich ein bisschen aus, meckert, lästert und geht dann leichteren Herzens wieder Arbeiten.

Aber auch hier ist es wie überall. Man kann nicht mit jedem. Da ist man froh, wenn man das Mittagessen allein runter schlingen kann.

Jetzt fiel mein PJ in der Chirurgie in eine Zeit, in der ich die Einzige dort war.
Der großer Nachteil: All der Mist wurde bei mir abgeladen oder um sich gewählter auszudrücken: Ich musste Aufgaben für 4 PJ`ler allein abdecken. Mein Telefon stand nicht mehr still. Mir wurden Koteletts ans Ohr gequatscht und meine Aufgabenliste schleppte ich wehend wie ein Philosoph auf einer Papyrusrolle vor mir her.

‚Warum bist du nicht im OP? Das wurde heute morgen in der Frühbesprechung gesagt.‘
‚Ich war nicht in der Frühbesprechung. Ich hab meine Blutrunde gemacht. Danke, dass Sie mir jetzt Bescheid geben. Ich bin praktisch schon im Saal.‘

Aber es war Herbst. Prüfungszeit. Es würden also bald neue PJ’ler kommen. Ich frohlockte.
Mein Vorgesetzter sprach von 5 Neuen. 5!!! Je näher der Termin rückte, desto tiefer sank die Zahl. Bis sie bei 2 stehen blieb.
Und am großen Tag, der das Ende meiner einsamen Streifzüge über die Flure bedeutete, begrüßte ich: LARS. Der Einzige der sein PJ angetreten hatte.

7:00 Uhr morgens

Beide unausgeschlafen, sagte Lars genau das, was sich jeder PJ-Student wünscht: ‚Soll ich dir den Zugang legen?‘
Ich reichte ihm die Braunüle und weinte innerlich etwas vor Glück. Auch weil der Zugang beim ersten Stich lag.

Wir waren auf einer blutigen Wellenlänge.
Beim ersten Mittagessen redeten wir über die ganzen wichtigen Sachen: Prüfungen, Patienten, ob man pünktlich raus kommt, den nächsten Urlaub und die Serie ‚Scrubs – die Anfänger‘. Genau dieses Gespräch ist mir in Erinnerung geblieben.
Wir lachten, weil wir uns genauso wie der Hauptdarsteller fühlten, oft mit den Gedanken abseits des Krankenhauses und auf der Flucht vor den Oberärzten seien.
Ich war seine Patricia, er meine Tiffany. Nein, Scherz bei Seite. Das Arbeiten mit ihm hat wirklich Spaß gemacht. Bald kannten alle Stationen auch seine Nummer (irgendjemand scheint seine Nummer rum gereicht zu haben), so dass es ausgeglichener wurde.

Ich erfuhr, dass Lars während seines Studiums professioneller Hakenhalter im OP war. In Bereitschaft hat er die Haken bei Hüft- und anderen langwierigen OP`s gehalten. Man stelle sich das wie folgt vor: Man bekommt nachts um 3 Uhr zwei riesige Edelstahlkellen in die Hand gedrückt und darf sich dann die nächsten Stunden nicht mehr bewegen. Nur flache Atmung. Blinzeln ist verboten – die Kellen könnten verrutschen. Liebevoll wird man vom Operateur alle 10 Minuten daran erinnert, doch gefälligst besser mitzuarbeiten. Die Arme fühlen sich irgendwann körperfremd an. Ist die OP spannend, ist das allerdings egal – weil es einfach nur mega ist, dabei zu sein.

Nach den ersten Tagen mit Führungen durch die heiligen Katakomben des Krankenhauses, Verlaufen und dem erfolgreichen Löschen diverser wichtiger Dokumente, hatte Lars den Dreh raus und mit seinem Charme die Pflege und Ärzte um den kleinen Finger gewickelt.
Vor ihm war ich an keinem Tag pünktlich raus gekommen. Kam ich nun aus dem OP, waren alle Blutentnahmen, Verbände und Zugänge auf Station erledigt. (Wieder so ein kleiner epischer Moment)

Es geschah nichts, ohne in seinem kleinen Büchlein vermerkt zu werden. Gen Ende warf ich einen Blick auf seine Blutentnahme-Strichliste. Waren es 158? Da war er noch keinen Monat da.

Mein letzter Tag

Als mein letzter Tag auf Station gekommen war, waren wir beide ein bisschen traurig. Von nun an war er derjenige, der allein über Station streifte und versuchen würde, Herr der Lage zu bleiben.

Niemand würde mir je wieder so gut zeigen, wie man frühzeitig die Station in Mission Impossible Manier verlässt. Hat auch nicht richtig geklappt, weil wir viel zu laut gelacht haben.
Es ist keine Tür in der Nähe, hinter der du dich vor Oberschwester Doris verstecken kannst? Werde Eins mit der Wand. Nein, SEI die Wand.

Ist der Assistenzarzt kurz vor 17 Uhr auf der Suche nach dir, um dir einen seiner Patienten zu zuturfen (Turfen: ‚Kliniksprache‘ aus „House of God“ für ‚jemanden loswerden‘)? Nutze den Lagerraum, um etwas zu ‚Suchen‘; die Toilette, um lautlos zu verschwinden und trage niemals, NIEMALS einen Kittel. Passe dich der Masse an und trage das, was alle tragen: Krankenhaus-Camouflage! Weiße Hose, blauer Kasack. Verschwinde in der Menge. (Kleines PJ-Einmaleins.)

Ich finde, jeder sollte einen Lars haben. Das Leben ist einfach besser, mit einem Kollegen, der in der gleichen Spur läuft, wie man selbst. DANKE Lars! Du hast die Zeit in der Chirurgie zu einem Ereignis gemacht.

In einer Woche endet seine Zeit in der Chirurgie. Und ich freue mich schon darauf, wenn die Corona-Beschränkungen aufgehoben werden. Denn seine Freundin und er lieben Spieleabende genauso wie mein Mann und ich. Das TABU staubt schon langsam ein.

Bleibt gesund. Denkt und dankt euren Kollegen. Eure Mandy

3 Kommentare

  1. Ach Liebes, du schreibst so toll, zeichnest phantastische Bilder, bist Ehefrau und dann auch noch PJlerin mit Herz, Humor & Lars im Gepäck. Was SCHÖNERES kann es doch bald nicht geben. Bleibe so eine taffe Maaaaandy. Freue mich schon auf deine nächste „Story“. LG – WW-Sandra0175 😊😂🤘👍👋💙

  2. Liebe Mandy,
    du hast wieder eine fantastische Lars‘ige Weise geschrieben. Ich liebe deinen Schreibstil und drehe jedesmal einen Film 😃.

    Geniesse deine doch sehr anspruchsvolle Zeit und lasse much weiter an deinen Erlebnissen, Erkenntnissen und Handhabungen teilhaben. Danke 😀👍🍀🎈🎉

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