MandysNotizBlog

Ist das Essen oder kann das weg?

Guten Morgen meine Lieben.

Gegen 7:30 Uhr beginnt mein Dienst auf Station. Meinen ersten Gedanken an Essen habe ich, richtig, 6 Uhr nach dem Aufstehen. Früh morgens bekomme ich aber nur schwer etwas herunter. Das Gefühl von Wackersteinen kann ich nicht schon vor Arbeitsbeginn brauchen. Ich gehöre zu den Menschen, die mit Intervallfasten sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Bereits in der ersten Woche des PJ`s habe ich es mir selbst verordnet, denn man kommt nur selten vormittags zum Essen – ein Vorgeschmack auf das zukünftige Arbeitsleben?

Mein Magen würde beim Thema Intervallfasten sehr deutlich widersprechen. Direkt nach dem Aufstehen bekommt er nämlich die ersten 2 Gläser Wasser eingetrichtert – unter Protest. (Der Sinn von morgendlichen Wassertrinken: ‚Wasser marsch‘ – Reihe: Teil IV, II. Akt ) Und dann meist bis Dienstende nichts mehr.

Er knurrt das erste Mal, wenn ich umsteige. Da gibt es nämlich einen Brezelstand, dessen direkt-aus-der-Hölle-entsprungener-Verkäufer das noch warme, köstliche Gebäck genau so hinlegt, dass es die herein fahrende S-Bahn bis zum Ende des Haltestelle mit trägt. Wo ich stehe, um der Verlockung zu entgehen. Bisher erfolgreich.

Der Schmaus im Krankenhaus

Auf Arbeit bin ich dann erst mal durch Blutentnahmen und Braunülenlegen ausgelastet – das tägliche Geschäft eines PJ’lers.
Meist bis halb 10, 10 Uhr. Dafür nehme ich immer ein Tablett mit, auf dem ich meine ganzen Utensilien fein säuberlich geordnet habe. Ein weiterer Vorteil dieses Tabletts ist, dass ich mich daran festkrallen kann, wenn das Frühstück verteilt wird. Zu dieser Uhrzeit ist das Widerstehen aber noch aushalt- und machbar.

Die Brötchen sind nicht wirklich frisch und meist aus Weizen. Und ich liebe Vollkorn- und Kartoffelbrötchen. In einem Krankenhaus selten bis gar nicht zu bekommen. Der Kaffee ist ohne Koffein – eine dreiste Täuschung der koffeinsüchtigen Synapsen. Dabei ist es für viele der Heilige Gral des Frühstücks.

„Lieber verarscht als gar kein Kaffee“, wie ein Patient mal feststellte.
Er musste die Tage vorher aber auch Hunger leiden. Ihm wurden für Untersuchungen sämtliche Schläuche gereinigt; ein Darm von 5-7 Metern muss erst mal gekärchert werden.

Würde man mich so lange hungern lassen, hätte die Schwester, die das Frühstück bringt ganz schlechte Karten. In meinem Flatterhemd hätte ich sie bereits auf dem Flur überfallen und würde mit vorgehaltenem, immer stumpfen Messer, Brötchen und Aufstrich erpressen.
Nein, Spaß. Aber meine Laune wäre unerträglich.

Ist meine ‚Blutrunde‘ beendet, schaue ich auf die Uhr, um zu resümieren, wie lang ich heute wieder mit Patientengesprächen (Fachjargon für Quatschen) verbracht habe. Mein Gedanke: Ah, es ist 2 Stunden vor Mittagessen. Meine offizielle Zeitrechnung und das, obwohl ich so gut wie nie zum Mittagessen komme (die Ärzte übrigens auch nicht).

Zu Beginn bekommt man bei den meisten Lehrkrankenhäusern Essensmarken.
Essensmarken! Das letzte Mal als ich diesen Begriff hörte, hatte mir meine Oma von der Nachkriegszeit erzählt. Na gut. Eine einfache Lösung und auch irgendwie passend. Wenn man es mal runter in die Mensa schafft, abgekämpft, bombardiert von den aufgetragenen Arbeiten, reicht man dem Personal die Marke und ordert seinen Wunsch.

Und man isst relativ flott. Letzte Woche saß mir ein PJ-Kollege aus der Chirurgie gegenüber. Ich schwöre heute noch, dass er über keinen funktionierenden Würgereflex verfügte. Die Schnelligkeit seiner Besteckakrobatik war beeindruckend. Kaum kauend verschlang er sein Mittag, murmelte etwas von ‚Heute nur Hüften auf dem Tisch‘ und war auch schon wieder weg. Gefühlte 5 Wimpernschläge.

Ich gebe aber auch zu ein schlechtes Gewissen zu haben. Bin ich mal in der Mensa, sieht man dort nur selten einen Arzt (oder ich komme einfach zur falschen Zeit). Sie bringen sich entweder etwas zu Essen mit und versuchen es zwischen Briefeschreiben und Telefonieren zu essen oder es entfällt komplett. Mich beschleicht ein schlechtes Gefühl, wenn ich als Einzige von Station ‚zu Tisch‘ gehe. Stattdessen nehme ich mir meist eine Wasserflasche und stürze sie runter.

Aber gestern war es irgendwie anders. Vielleicht war es diese feuchte Wärme, die seit mehreren Tagen in der Luft hängt. Aber gegen Mittag war fast gar nichts mehr mit mir anzufangen. Der Magen hing mir bis in die Kniekehlen. Ich brauchte was zu Essen, aber mit meiner Arbeitsliste war ich noch nicht fertig (Kleinigkeiten, die aber Zeit kosten). Eine der Schwestern nahm mich zur Seite und sagte, dass noch etwas zu Essen übrig wär. (Sprechen wir es nicht laut aus, da es ja als Diebstahl an der Klinik gilt. Eine Schande, dass so viel Essen weg geschmissen wird)

Ich nahm mir das Essenstablett, suchte mir ein ruhiges Eckchen und öffnete voller Vorfreude und ausgehungert den Deckel.

Der Schock. Was zur Hölle war da auf meinem Teller gestorben? Auf dem Zettel stand etwas von Fleisch. Jetzt bin ich ja nicht der große Fleischesser und setze mittlerweile mehr auf Qualität als Quantität, was auch als Student ganz gut umsetzbar ist. Weniger Fleisch, dafür hochwertiger. Aber das, was da auf meinem Teller lag, war einen mehr als qualvollen Tod gestorben – mehrmals.

Dazu eine blassgelbe, platte Masse, die vermutlich Kartoffelbrei sein sollte und Brokkoli, dessen Garzeit leider 1 Stunde zu lang war. Den Spruch ‚Hunger rein, Ekel runter‘ kann ich nicht bestätigen!

Wenn ich daran denke, dass einige Patienten bereits im schlechten Ernährungszustand aufgenommen werden und dann so etwas vorgesetzt bekommen – Himmel. Es wird definitiv am falschen Ende gespart. Laut ÄrzteZeitung liegen die Gesamtkosten für die Ernährung eines Patienten bei unter 13 Euro – pro Tag. Dabei ist Essen doch das Ah und Oh. Sind Vitamintabletten so viel günstiger als Obst und Gemüse? Vermutlich. Wie kann man da bloß erwarten, dass die Patienten gesund werden?

Ich sprach ein kleines Gebet für das arme Tier, welches für dieses furchtbare Menü sein Leben lassen musste und schloss den Deckel. Der Hunger war leider noch da. Ich langte in eine Tüte mit Mini-Cookies, deren Zutatenliste länger als der Inhalt eines Chemiebaukastens war. So weit war es schon gekommen, dass ich dem Pflegepersonal ihre Süßigkeiten klaute. Schande über mich.

Nach Dienstende hatte ich dann einen Highlight-Moment in der Umkleide. Nein, nicht dass die Hose besser passte. Ein Apfel in meiner Tasche, den ich letzte Woche eingepackt und vergessen hatte. Leuchtende Augen. Ich will gar nicht daran denken, was ein paar Wochen später passiert wäre, wenn ich ihn dort an Ort und Stelle vergessen hätte. Erinnert mich an die berüchtigte Banane, die man am letzten Schultag in den Ranzen packte und am Ferienende wieder findet . . . nur war mein Apfel eben noch genießbar.

Wieder in Frankfurt stellte ich fest, dass die Kaffeezeit bereits vorbei war. *Heul*
Ich liebe guten Kaffee. Mein Mann und ich haben die perfekte Bohne gefunden, die wir mit einer simplen Handmühle mahlen, in einen Espressokocher stopfen, aufkochen und mit Milchschaum toppen. Dann verziehen wir uns auf die Couch und erzählen uns von unserem Tag. Mittlerweile ein Ritual geworden, auf das ich ungern verzichte. Ist es zu spät, fällt es aus. So wohl auch heute.

Den Schlüssel gezückt, öffnete ich die Haustür und höre das Geräusch der Kaffeemühle. Musik in meinen Ohren.

Ein guten Start ins Wochenende . . . eure Mandy

9 Kommentare

  1. Da bin ich doch gerade auf der Buchstabensuppenwelle direkt in Deinen Blog geschwommen. Ich weiß wovon Du schreibst, wenn Du Krankenhausessen schreibst. Als Personal schämt man sich, es an die Patienten auszuteilen und als Patient fragt man sich wirklich, welches Tier auf dem Teller sein Leben ausgehaucht hat und setzt, wenn möglich, auf Selbstversorgung. Oder Almosen der entfernten Verwandtschaft, die der Hungertodgeweihten gern ein Teilchen vom Bäcker oder selbstgebacken mitbringt. Mein WW -geplagtes Inneres schreit lautstark nach Obst oder einem vollwertigen Salat, der nicht nur aus drei welken Blättchen in einer mausgrauen Plasteschüssel besteht.
    Ein sonniges Wochenende

  2. Hallo liebe Mandy, endlich habe ich es geschafft und meinen Weg auf deinen Blog gefunden 😊🥰 freue mich riesig dass du das gemacht hast.

    Ich lieben deine Geschichten.

    Liebe Grüße
    LitteRed1986

  3. Hallo liebe Mandy, ich verfolge dich schon eine Weile und jetzt auch hier 🙂 deine Texte lesen sich immer so wunderbar. Vielen lieben Dank für diesen Einblick. Ich arbeite in der ambulanten Pflege, unser Mittag kann man auch nicht ausgewogen nennen, leider oft schlecht als recht. Die Vorgaben sind leider nicht so berauschend. Für die Leutchen ist das sehr schade, ihr Lebensabend mit schlechten Essen zu verbringen….

  4. Ich liebe deinen Blog. Auch schon deine Beiträge in der Community und nebenbei lernt man noch das ein oder andere über den eigenen Körper.

  5. Liebe Mandy, Klasse der Cliffhanger heute in der Com 😉 Und wie wahr, Krankenhausessen ist nichts was gesund macht. Unsere Seniorin (91) ist seit Wochen im Krankenhaus und gerade auf der Geriatrie fallen die Defizite in diesem Bereich doppelt auf. Allein schon die Rohkostbeilage zum Abendessen, eine Cocktailtomate ist schon Luxus, gestern lagen 3 halbe grüne Bohnen neben blässlich schwitziger Lyoner. Dafür waren die Kartoffeln zu Mittag hart und der Kochfisch sowieso kalt, da die Patientin zur Untersuchung war als es Essen gab. Wie bekommt man da 13 Euro unter? Da würde ich eher an 1,30 glauben….

  6. Du schreibst echt toll und ich wünsche dir eine schöne ausgeruhte Auszeit und bleib bitte so empathisch, bewahre es dir als zukünftige Ärztin, das ist Gold wert.

  7. Hallihallo liebe Mandy,
    vorhin etwas von dir gesehen und was von Bildern?!
    Bin doch immer gleich neugierig, was bei dir läuft 🤗😉. Darum sofort von WW zu deinem Blog ➡️
    Und nun……. ich finde nichts 🤔
    Muss ich vielleicht später nochmal vorbeischauen 🤗🤔😏🙄🤷‍♀️

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