MandysNotizBlog

Was ich auf einer Motorhaube zu suchen habe und warum mir Corona langsam echt auf den Sack geht.

Der ein oder andere hat sich wohl möglich schon gefragt, warum meine Beiträge so dürftig geworden sind. Manch einer hat sich darüber vielleicht schon gefreut: Endlich keine Vorträge mehr über Gesundheit. 😉

Hat sie genug von der Community? Natürlich nicht. Ist sie im Urlaub? Nein. Der soll eigentlich in 1 1/2 Wochen beginnen. Aber mittlerweile beginne ich darum zu bangen, denn Frankfurt bewegt sich seit mehreren Tagen extrem an der Grenze zum Risikogebiet. Wird Frankfurt zum Risikogebiet, können wir vergessen, dass wir irgendwo hinfahren ohne in Quarantäne zu müssen.

Ich habe die letzten Monate Arbeit nur halbwegs überstanden, weil ich die Tage zählte, die es noch braucht, bis wir den Rügendamm passieren, am Strand spazieren gehen und Labskaus essen (ich ess das wirklich gern).

Die Frankfurter scheinen die steigenden Infektionszahlen aber nicht zu interessieren. Überall sehe ich die Leute in großen Gruppen am Main zusammen stehen, mit Alkohol und natürlich ohne Schutzmasken. Ab Freitag nun Sperrstunde. Der Aufschrei ist groß. Wenn Vernunft nicht über den Hals der Bierflasche hinaus reicht, muss leider die Politik für den kleinen Mann mitdenken. Ich bin froh darüber. Vielleicht hält es die Infektionszahlen in Schach, bis wir endlich die Stadt verlassen können. Es gibt einfach Momente, da kann ich Frankfurt nur schwer ertragen. Dieser Moment ist seit ein paar Wochen überschritten. Und ich spüre immer mehr, wie sehr ich von hier weg möchte.

Im Fahrstuhl im Krankenhaus hängt ein gerahmter Spruch: Jede Krise ist die Chance zum Wandel. Ich sehe ihn jeden Morgen, wenn ich aus der Umkleide in den vierten Stock auf Station fahre. (Richtig, ich laufe keine Treppen.) Seit mehreren Tagen stehe ich nur noch im OP, weil ich die einzige Chirurgie-PJ-Studentin bin. Meine persönliche kleine Krise, die ich schon morgens beim Aufstehen zu bewältigen versuche. Vor dem Weckerklingeln werde ich bereits wach und denke mit Schrecken an den OP, in dem ich hauptsächlich die Kamera halte. Ich berichtete bereits kurz davon. Wenn man aber den ganzen Tag in mehreren OP`s dieses Teufelsding halten muss, die Finger taub werden, der Operateur ein cholerischer Chirurg ist und man den Horizont nie gerade hält (sorry, aber einen Horizont im Bauchraum habe ich immer noch nicht gefunden) dann war`s das wohl mit meinen Karriereplänen als Kameramann in Hollywood. Wieder einen Traum, den ich begraben muss. Wäre nicht das nette OP-Team, das mir versichert, das es nicht an mir liegt, hätte ich das Ding längst hin geschmissen und wäre aus dem OP gestürmt – heulend.

Mimimi geht aber noch weiter. Diese Steherei ist mörderisch. Mein Schrittzähler (versenkt in der Kitteltasche) hat am Abend eine traurige Bilanz von mickrigen 2000 Schritten, meine Unterschenkel schmerzen aber wie nach einem 15km Lauf. In meinem Artikel über Venen habe ich bereits drüber berichtet, wie sich stehende Berufe auf sie auswirken. Das Fahrradfahren nach Hause hilft da allerdings ein wenig.

In diesem Krankenhaus hat man als Student die Möglichkeit Nachtdienste mit zumachen. Natürlich mit der Aussicht auf einen freien Tag. Ich komme also morgens ganz normal zum Dienst, der 7 Uhr ist, arbeite (mit Pause, wenn`s gut läuft) bis im OP die Lichter ausgehen, oft nach 18 Uhr und gehe dann auf Station zu dem diensthabenden Assistenzarzt und bleibe dort bis kurz vor Mitternacht. Weil es keine Schlafmöglichkeit gibt, werden die Studenten dann nach Hause geschickt. Dienstschluss also nach 17 Stunden. Über den Tageslohn eines Studenten mit Nebenjob hatten wir schon einmal gesprochen, ca. 6,80€. Er hat sich auch in diesem Krankenhaus nicht geändert.

So radelte ich gen Mitternacht los. Frankfurt ist um diese Uhrzeit sehr friedlich. Kein Fluglärm wegen Nachtflugverbot, die Straßen sind ruhiger, der Fahrtwind dank herbstlichen Temperaturen kühl. Am Main sind die Fahrradwege auch ganz gut ausgebaut. Nur wenige, die plötzlich im Nichts enden oder wie von Geisterhand aus dem Rinnstein entstehen. Mit Licht und Helm ausgestattet düse ich also Heim und mache mir noch Gedanken über ein heranrasendes Auto, das an der Brückenkreuzung ja wohl noch langsamer wird. Mein Licht ist schließlich hell genug. Eine Vollbremsung später finde ich mich auf der Motorhaube eines Mercedes wieder. Mein einziger Gedanke: Wenn ich mir jetzt in die Hose mache, wird das im Krankenhaus ziemlich peinlich.

Der Fahrer beteuert seine Schuld und hilft mir von der Haube runter. Okay, nichts kaputt gegangen. Alle Knochen heil, der hässliche Helm den ich nicht leider kann hat die Birne geschützt und der Mercedes hat nur nen kleinen Kratzer. Ich bin viel zu wackelig um mich aufzuregen. Der Fahrer braust davon und ich eiere auf dem Fahrrad nach Hause. Dort drücke ich meinen Hund und meinen Mann diesmal etwas länger als sonst.

Jetzt werde ich wohl bald den Führerschein machen. Mein Mann hat beschlossen, dass er ihn mir bezahlt. Wann ich den zeitlich noch unterbringen soll? Kein Schimmer.

Seit dieser fast Katastrophe auf der Brücke geht mir viel durch den Kopf. Was ich anders machen sollte. In meinem Leben, der vielen Arbeit die ich mir aufhalse. Sollte ich meinen Kompass neu ausrichten? Bin aber noch nicht wirklich zu einem Entschluss gekommen. Ich weiß, dass man immer eine Wahl hat in seinem Leben. Dieses Chirurgie-Tertial, das mir aber so viel abverlangt, endet am 24.12.2020, Heiligabend. Ein Zeichen. Bis dahin werd ich ja wohl durch halten.

Jetzt fiebere ich erst mal der Berichterstattung über die täglichen Neuinfektionen entgegen, versuche meinem Urlaub mit gedämpfter Freude zu erwarten und melde mich noch mal ganz kurz, bevor ich dann Richtung Rügen verschwinde. Und hoffe, dass ich irgendwie noch diese ganzen Berichte, die ich für euch vorbereitet habe, fertig bekomme.

Bleibt gesund (und tragt einen Helm beim Fahrradfahren), eure Mandy. 😘 

 

8 Kommentare

  1. Ich mag deine Beiträge sehr😊 und finde es ganz toll das du trotz deiner eigentlich nicht vorhandenen Zeit uns mit tollen Beiträgen den Tag verschönst. Vielen Dank dafür 😍

  2. Ach Mandy,
    jedes mal, wenn im Radio die aktuellen Zahlen durchgesagt werden, bange ich mit dir um deinen Urlaub.
    Bleib gesund und pass auf dich auf!
    Grüße aus Bad Soden

    1. Na du? 😉
      Urlaub ist storniert. Haben es mit dem Bangen selbst nicht mehr ausgehalten und wenigstens den Großteil unseres Ersparten wieder bekommen. Nun machen wir es uns hier irgendwie kuschelig. Hoffe, es geht euch gut. Bleibt gesund. Liebste Grüße

      1. Uns geht es gut aber Corona fliegt uns natürlich auch um die Ohren.. von der Erkältungszeit und Personalausfall ganz zu Schweigen.
        Macht euch eine schöne Zeit 🙂

  3. Hallo Mandy, den Urlaub hätte ich Dir so sehr gegönnt. Ich hoffe, Ihr habt dennoch einen schönen Urlaub zuhause. Deine Berichte und Bilder lese und sehe ich immer wieder gerne. Danke, dass Du Dir die Zeit für diese manchmal sehr persönlichen Einblicke in Dein Leben nimmst. Liebe Grüße aus Kiel Sandra

  4. Hallo Mandy,
    Wir haben auch storniert, wir wohnen in der Nähe von Fulda und hatten eine Woche Prerow gebucht ab 17. 10.
    Mir fehlt die Ostsee soo sehr.
    Meine Mutter lebt in Stralsund, ist fast 88.
    Ich trau mich nicht, sie zu besuchen.
    Corona ist 💩

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